Ein richtiger Bengel Als Opa ein kleiner Junge war Kindheitserinnerungen aus Harburg an der Elbe in den 1920er Jahren

(Foto: Familie Siedhoff: Opa Rudi rechts stehend)

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Erschienen: Mitten in Harburg vom Bezirksamt Harburg, Ausgabe April/März 2017

Auszug

Meine Familie und ich

Ich bin „Raudi“, eigentlich heiße ich Rudi, nein, das stimmt auch noch nicht, denn in Wirklichkeit heiße ich Rudolf Wilhelm Paul, aber meine Freunde nennen mich „Raudi.“ Das klingt einfach viel besser, viel „mutiger und härter“. Nur meine Eltern und Brüder haben das noch nicht eingesehen, die nennen mich „Rudi“. Ich bin neun Jahre alt und ein echter Bengel, sagt jedenfalls Vater. Meine Mutter sagt, ich bin ihr lieber, guter Junge. Mit meinem blonden Flachshaar sehe ich vielleicht aus wie ein guter Junge, aber in Wirklichkeit bin ich ein starker, mutiger Kämpfer gegen die „Schlappstrümpfe“ aus Heimfeld. Ich kann richtig schnell rennen, schneller als alle meine Kameraden und kämpfen kann ich auch. Ich bin furchtbar mutig, finde ich jedenfalls.

Jetzt will ich euch etwas von meiner Familie erzählen. Ich bin der zweitjüngste von fünf Jungs. Meine Brüder sind: Fritz, Karl, Richard und Klein-Erich. Fritz ist mein Lieblingsbruder. Er ist schon 18, von Beruf Friseur und hat eine hübsche blonde Freundin mit zwei dicken Zöpfen. Sie heißt Fräulein Frieda. So ein Fräulein Frieda möchte ich später auch mal haben. Fritz und Fräulein Frieda sind schon verlobt und bewohnen eine eigene Wohnung. Fritz kommt uns trotzdem oft besuchen. Wir anderen, dass sind Mutter Karoline, Vater Rudolf, Karl, Richard, Klein-Erich und ich, wohnen alle zusammen in einer Zweizimmerwohnung in der Eißendorfer Straße 91, in der ersten Etage, linksrum. Karl ist 16, Richard 14 und Klein-Erich, noch ein richtiger Windel-Pupser, mit seinem einem Jahr. Vater ist gelernter Bautischler, arbeitet aber in der Fabrik „Phoenix“ an den Walzen. Auch Karl arbeitet schon in der „Phoenix“, allerdings bei den Gartenschläuchen. Richard und ich gehen natürlich noch zur Schule in der Dempfwolfstraße. Nur Klein-Erich hat es gut, der darf den ganzen Tag spielen. Ich würde auch am liebsten den ganzen Tag mit meinen Freunden spielen. Meine besten Freunde, das sind der Nachbarsjunge Erich, Paul und Hans und noch sieben weitere Schulkameraden. Wir haben eine immerwährende Schlacht gegen die Jungs aus Heimfeld am Laufen. Wir nennen uns die „Tollkühnen Harburger“ und unsere Gegner nennen sich die „mutigen Heimfelder.“ Aber im geheimen nennen wir sie immer die „Schlappstrümpfe“ aus Heimfeld. Aber davon erzähle ich euch später noch. Unsere Wohnung ist supermodern, finde ich. Wir haben schon eine Toilette in der Wohnung. Sie ist direkt neben der Küche und so brauche ich nicht, wie meine Kameraden, in den dunklen Keller aufs Klo zu gehen. Da gruselt es mich immer so, was ich vor meinen Freunden natürlich nicht zugeben darf, denn dann halten die mich für einen „Schlapp-strumpf“, wie die Jungs aus Heimfeld. Wir haben unglücklicherweise aber Ratten im Keller. Die huschen einem immer über die Füße und außerdem gibt es riesige Spinnennetze mit fetten ekligen Spinnen, deshalb gehe ich nicht gerne dort hinunter. Aber darum ist man doch noch lange kein „Schlappstrumpf“, oder?

Weitere Kapitel:

Das Brot liegt auf der Straße

Klein-Erich ist eine richtige Nervensäge

Wie ich meinen Bruder rettete und ein Stück Pferdewurst bekam

Die Schule

Kampf gegen die Heimfelder

Meine Haustiere

Wir feiern Weihnachten und Silvester

Wir fahren Schlitten und Schlittschuh

Wir feiern Ostern

Der kaputte Anzug

Die Bootsfahrt

Sommer an der Elbe und am Außenmühlenteich

Wir ärgern die Mädchen

Besuch von Tante Minna

Als ich meine spätere Frau kennen lernte

Nachwort der Verfasserin

Broschüre mit 32 Seiten und Fotos.

Erschienen am 2. November 2020.